Frauenförderung ist Armutsbekämpfung

Unbestritten ist, dass Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und die soziale Diskriminierung aufgrund von Geschlecht oder Religionszugehörigkeit die Hauptursache für Armut ist. Die Benachteiligung von Frauen muss also beendet werden, um eine gerechtere, ausgewogenere Entwicklung zu fördern. Es braucht starke politische Durchsetzungskraft, um die Zusammenhänge von Armutsbekämpfung, Nachhaltigkeit, Geschlechtergerechtigkeit und Menschenrechten stärker ins Zentrum des Rahmenprogramms 2015+ zu stellen.[1]

In den Entwicklungsländern spielen die Selbstbestimmungsmöglichkeiten der Frauen eine Schlüsselrolle. Sie hängen unmittelbar mit der Geburtenkontrolle zusammen. Einige Fortschritte wurden hart erkämpft: Inzwischen besuchen weltweit deutlich mehr Mädchen eine Grundschule, die Lebenserwartung von Frauen hat deutlich zugenommen und die Geburtenzahl pro Kopf hat sich reduziert. Die Statistiken der  Statistiken der letzten Dekaden zeigen deutlich: Wo Frauen Zugang zu Verhütungsmitteln haben und selbst über die Anzahl ihrer Kinder bestimmen können, gibt es mehr soziale Rechte, Geschlechtergerechtigkeit und die Armut nimmt ab.[2] Häufig geht der Zugang zu  Mitteln der Geburtenkontrolle mit Zugangsmöglichkeiten von Mädchen und jungen Frauen zur Bildung einher.

Die EU will mit der Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit ab 2014 den globalen Entwicklungsverpflichtungen nachkommen.[3] Die Anstrengungen können sich aber nicht auf die Entwicklungs- und Schwellenländer beschränken. In den Industriestaaten bleibt die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen ebenfalls eine Herausforderung. Frauen sind in Entscheidungsfunktionen unterrepräsentiert und beim Einkommen weiterhin benachteiligt. Eine kinderfreundliche „Work-life-balance“ und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind hier Stichworte. Bei den neuen Förderlinien der EU im Forschungsbereich, dem Programm Horizon 2020, wird entsprechend Gendergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe in allen Projekten gefordert, sowohl bei Projektbesetzung, Durchführung und Thematik.

Ein ganzheitliches, umfassendes, weltweit geltendes Rahmenkonzept 2015+

Welches sind also die zentralen, zu unternehmenden Schritte für die Rahmenentwicklung der Jahre nach 2015+ in Hinblick auf Geschlechtergerechtigkeit, Frauenförderung und Teilhabe? Braucht es dazu, dass die Gleichstellung als ein eigenständiges Ziel im 2015+-Prozess definiert wird? Oder sind Geschlechtergerechtigkeit und Frauenrechte nicht vielmehr eine Querschnittsaufgabe, die in jedem gesellschaftlichen Bereich durch zu deklinieren ist?

CONCORD – die Europäische Konföderation der Nichtregierungs-Organisationen für Unterstützung und Entwicklung - vertritt 1800 Mitgliedsorganisationen in Europa. Die Arbeitsgruppe für Gleichstellung hat einen regelmäßig im Europäischen Parlament stattfindenden „Gender + Development Lunch“ eingerichtet. Unter der Schirmherrschaft der Vorsitzenden des Frauen- und Genderausschusses (FEMM) MEP Gustafsson und seiner Stellvertreterin sollen zunächst die Ergebnisse der UN-General­versammlung vom September 2013 und die daraus abzuleitenden Schritte bis September 2015 diskutiert werden.[4]

Für die EU, für multilaterale Organisationen und für die Zivilgesellschaft ergeben sich unterschiedliche Handlungsoptionen. Ohnehin sind die Interessen für eine Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Armutsbekämpfung verschieden.[5] Bundespräsident a.D. Prof. Dr. Horst Köhlergehört zum Beratergremium des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für die Post-2015 Entwicklungsagenda. Er hat einen neuen Geist des Respekts und Vertrauen beschworen, der die ökologischen Grenzen des Planeten zu wahren habe.

Global wurden drei wesentliche Bereiche für die Armutsbekämpfung und Gleichberechtigung der Geschlechter identifiziert:

1. Abwesenheit von Gewalt (Frieden und Stabilität)
2. eigenständige Leistungsfähigkeit und Kontrolle über die verfügbaren Ressourcen (Verteilungsgerechtigkeit)
3. Teilhabe an Entscheidungsprozessen, sowohl im Haushalt, alsauch im öffentlichen und privaten Sektor (Beteiligungskultur)

Die Vereinten Nationen haben sich ein  40% Frauenbeteiligungsziel gesetzt. Allein von guter Programmatik und schönen Zielvorgaben wird noch kein Fortschritt getragen. Für die Ziele sind Indikatoren festzulegen und Verantwortlichkeiten zu benennen. Schließlich sind die tauglichen Instrumente zu identifizieren und monetär zu unterlegen. Dabei gilt es genau hinzusehen, wer von welchen vorgeschlagenen Maßnahmen profitiert. Es geht auch darum, nicht alleine auf akademische Setzungen in Expertenzirkeln zu vertrauen. Für die Zivilgesellschaft gilt es stärkere Partizipation einzufordern und Beteiligungsprozesse zu organisieren. Um den breiten Austausch mit der Zivilgesellschaft und dem privaten Sektor zu gewährleisten, werden durch die Vereinten Nationen Konsultationen auf 5 Kontinenten abgehalten. Es gilt sich also einzumischen. Das Europäische Parlament versteht sich hierbei als Repräsentanz der europäischen Zivilgesellschaft.

 


[1] Die Grundlage bilden die bestehenden Instrumente: „UN Universal Declaration of Human Rights“, CEDAW, international Covenant on Economic, Social and Cultural Rights

[2] Europäische Kommission „A decent life for all“ (Ein menschenwürdiges Leben für Alle) und EP-Report „Post-2015 agenda“

[3] In erster Lesung am 11. Dez. 2013 angenommener Text für die Entwicklungszusammenarbeit ab 2014: Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Dezember 2013 zu dem Vorschlag zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit (COM(2011)0840 – C7-0493/2011 – 2011/0406(COD))

[4] Beijing Platform for Action, Rio+20 outcome document, UNSC resolutions 1325 und 1820

[5] Die Zeit hat dies bereits 2012 in einem Artikel kritisch beleuchtet: Entwicklungsagenda-Beitrag