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Landschaftsplanung im urbanen Raum – neue Wege in einer wachsenden Stadt

Will man die natürlichen Lebensgrundlagen erhalten und auch nachfolgenden Generationen ermöglichen, vom Naturreichtum zu profitieren, so müssen wir uns innerhalb der planetaren Grenzen bewegen. Diese Erkenntnis hatten Wissenschaftler erstmals vor 50 Jahren, als sich der Club of Rome gründete und das bahnbrechende Werk „Die Grenzen des Wachstums“ publiziert wurde.

In den 1970er und 80er Jahren war West-Berlin als Insel der Ort um die ökologischen Prinzipien und die Kreisläufe der Natur in einer vom Menschen geprägten Stadtlandschaft zu erkennen und zu studieren. Daher hat sich auch hier die Wissenschaft der Stadtökologie herausgebildet, die erstmals wissenschaftlich die Prinzipien nachhaltiger Landschaftsplanung im urbanen Raum definierte.


In der Stadt ist die Überlagerung verschiedener Nutzungen der Schlüssel zum Erhalt des Naturreichtums und der Artenvielfalt. Heute nennt man das „Multicodierung von Räumen“, also die Überlagerung verschiedener Nutzungen und Funktionen. Einerseits gibt es im grünen Berlin die Schutzgebiete mit ihren Schutzgebietsverordnungen und den zugehörigen Managementplänen jeweils für den spezifischen Erhaltungs- und Entwicklungs-Zweck, also eine bestimmte Nutzung ausschließende Planung. Andererseits ist der Natur- und Artenschutz auf 100 % der Stadtfläche gefragt. Schadstofffreie Luft, sauberes Wasser, unbelasteter Boden, kühlende Vegetation und Habitate für Flora und Fauna müssen für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Stadtmenschen in ausreichender Qualität vorhanden sein So wie es spezifische Anforderungen an bestimmte Naturräume, wie z.B. den Wald gibt, so gelten auch für die Siedlungsflächen Mindeststandards naturwirksamer Raumgefüge, die mit einem Mindestmaß an erhaltener Funktionsfähigkeit der natürlichen Ressourcen in der Stadtlandschaft ein lebensfähiges und lebenswertes Umfeld sicherstellen.

Für den Erhalt der natürlichen Lebensressourcen im urbanen, also bebauten, Raum sind ökologische Stadt- und Gebäudekonzepte unabdingbar. Diese erlauben innerhalb der Besiedlung das Biotopvolumen und damit die Lebensräume für wildlebende Arten zu vermehren. Nehmen wir z.B. die dritte Dimension zur Fläche und kombinieren dies mit der Entwicklungszeit von Habitaten, so können sich in der Stadtlandschaft sogar neue und vielfältigere Lebensräume für Tiere und Pflanzen ergeben. 

Berlins planerische Ansätze dazu sind die Strategie zur biologischen Vielfalt und der Stadtent­wicklungsplan Klima sowie diverse Freiraumkonzepte innerhalb der Strategie Stadtlandschaft auf Senatsebene. Die Bauleitplanung der Bezirke und das Quartiersmanagement sind der Ort der Umsetzung.

Bereits in den 1980er Jahren war Berlin Vorreiter für ökologische Stadtkonzepte, es gab Förderprogramme zur Umsetzung dezentraler Regenwasserbewirtschaftung, Gebäude- und Hofbegrünung sowie der Gebäudekühlung als vernetzte ökologische Gesamtkonzepte. Am Institut für Physik der HU Adlershof wurde erstmals die Kühlungsleistung durch Verdunstung von Fassadengrün wissenschaftlich gemessen.

Die dort ermittelte Kühlungsleistung von 280 Kilowattstunden pro Tag und Fassade ist erheblich. Im Jahresmittel spart man so 26% der Primärenergie gegenüber konventionellem Sonnenschutz ein. Vergleicht man dies mit Büroräumen ohne konventionellen Sonnenschutz, ergibt sich sogar eine Energieeinsparung von 49% der Betriebskosten. Ökologische Gebäudekonzepte sind also auch ökonomisch, da die Düngung, Pflege und Bewässerung von belebten Fassaden nur 10% der Kosten für die Wartung und Reparatur eines konventionellen Sonnenschutzes ausmachen.

Inzwischen sind diese Erkenntnisse in Konzepte für urbane Regenwasserbewirtschaftung und Abwassersysteme überführt. Deren konsequente Umsetzung bei Neubau und im Bestand fehlt allerdings im recht trägen System der Stadtplanung.

Die erfolgversprechende Anpassung an den Klimawandel verlangt Maßnahmen der Wasserrückhaltung, der Behandlung und Wiederverwendung von Regenwasser, damit der Versickerung und vor allem der Verdunstung. Nur so kann der natürliche Wasserkreislauf auf Siedlungsflächen erhalten werden und die örtliche Klimabilanz verbessert werden. Damit wird die Stadt resilient gegenüber zunehmenden Hitze- und Starkregenereignissen, die durch den Klimawandel immer häufiger auftreten werden. Eine Ökologisierung der Stadtquartiere ist der Beitrag zur Stadtökologie und Erhöhung der Freiraumqualität! 

Für Neuerschließungen ist es sehr einfach, integrierte Regenwasserbewirtschaftungskonzepte gleich mit zu planen, eine Energie und Ressourcen sparende Infrastruktur zu schaffen und eine integrierte Stadt-, Infrastruktur- und Gebäudeplanung umzusetzen. Sofern nur der politische Wille dazu vorhanden ist. Darüber hinaus liegen die Herausforderungen im Bestand. Aber auch hier gibt es seit den 80er Jahren nicht nur in Berlin vorbildliche Umsetzungskonzepte, so z.B. die bewährten Begrünungs-Programme oder „Grün macht Schule“. 

Große Potentiale gibt es nicht zuletzt in den städtischen Kiezen und (Groß-)Siedlungsgebieten, hier in Zusammenarbeit mit Stadtteilinitiativen sowie den Wohnungsbaugesellschaften. Jedenfalls gibt es neben der Freiflächensicherung durch Schutzverordnungen für naturräumlich oder landschaftlich geprägten Gebiete und Biotope auch in der Stadtlandschaft eine Menge wichtige Aufgaben für die Daseinsvorsorge: Grüne Infrastruktur als Zukunftssicherung.

Berlin, Sommer 2018

Dipl.-Ing. Sibylle Centgraf, Landschaftsarchitektin (AKH)